Eine Erfolgsgeschichte: Aynur Boldaz, Unternehmerin des Jahres 2011

Aynur Boldaz, Unternehmerin des Jahres 2011, im Gespräch mit Martina Neef

Aynur Boldaz wurde 1968 in der Türkei in Ostanatolien geboren. Aus einer Bauernfamilie stammend und ohne ein Wort Deutsch zu sprechen kam sie mit 18 Jahren nach Deutschland, um zu heiraten. Sie begann ihre berufliche Laufbahn als Reinigungskraft in Berlin. Aus der Erfahrung ihres Jobs und mit einem Kopf voller Ideen gründete sie 2000 das Unternehmen Forever Clean, bei dem sie heute mehr als 200 Menschen in Deutschland und der Türkei beschäftigt.

Ein Unternehmer ist ein Künstler, ein Lebenskünstler.
Selbstständigkeit ist nicht einfach. Sie ist ein Knochenjob, aber gleichzeitig ist sie auch wie mein Kind. Das ziehe ich groß und sage: „Nicht aufgeben, egal was kommt.“

Was unterscheidet Ihr Unternehmen von anderen? 
Viele Leute, die zu uns kommen, sind verwundert. Denn obwohl wir ein türkischstämmiges Unternehmen sind, sehen sie keine Türken. Man ist es in Deutschland noch nicht gewohnt, dass in türkischen Unternehmen Deutsche arbeiten. Bei mir macht der Anteil der Deutschen etwa 80 Prozent aus. Mein Erfolgsrezept ist, dass ich alles anders mache als ein normaler türkischer Unternehmer. Dass ich als Türkin mit Deutschen zusammenarbeite, macht den Reiz und die Herausforderung aus.

Wie begann Ihre berufliche Karriere?
Mein erster Job war als Verkäuferin in einer Bäckerei. Ich war mit 18 aus Ostanatolien gekommen, ohne ein Wort deutsch zu können. Fünf Jahre habe ich auf meine Arbeitserlaubnis gewartet. Und nun durfte ich samstags in der Bäckerei arbeiten und verdiente jedes Wochenende 50 Mark! Sie können sich gar nicht vorstellen, was für eine Freude das für mich war. Das Gefühl war so schön, dass ich es nicht beschreiben kann.
Anschließend habe ich bei einer Luftballonfirma gearbeitet. Da saßen wir acht Stunden und haben Ballons bearbeitet. Als ich das sieben Monate gemacht hatte, hörte ich, dass im Virchow-Krankenhaus Reinigungskräfte als Urlaubsvertretung gesucht wurden. Ich sagte mir, dass das genau das Richtige für mich ist, ich kann hier nicht jeden Tag acht Stunden sitzen. Also habe ich mich beworben. Ich habe zwar in der Türkei die Hauptschule absolviert, aber ich hatte keine Möglichkeit, eine Ausbildung zu machen. Also fing ich im Virchow-Krankenhaus als Reinigungskraft an. Nach einem Jahr erhielt ich das Angebot, Vorarbeiterin zu werden. Plötzlich hatte ich die Verantwortung für 150 Mitarbeiter. Ich musste Schichtpläne erstellen – und das, obwohl ich noch nicht mal richtig deutsch konnte! Einen Tag lang habe ich überlegt, ob ich den Job machen sollte, dann sagte ich zu. Nun hieß es für mich, um 3:00 Uhr morgens aufzustehen, damit ich um 4:00 Uhr in der Klink war, bevor die Frauen zur ersten Schicht kamen. Damals erhielt ich 850 Euro im Monat dafür, dass ich quasi rund um die Uhr arbeitete. Aber es war eine große Freude für mich. Die Verantwortung für so viele Menschen zu tragen, hat mir Spaß gemacht.

Und wie ging es weiter?
Irgendwann habe ich mir gesagt, dass ich das auch selber machen könnte. Ich war jung, in Deutschland, frei, ich wollte mein Leben neu anfangen. Also habe ich gekündigt. Allerdings wusste ich noch nicht genau, was ich machen wollte. Nur, dass ich in der Reinigungsbranche bleiben wollte. Neun Monate war ich arbeitslos. In diesen neun Monaten habe ich mich auf meine Selbstständigkeit vorbereitet. Ich habe Seminare besucht, Schulungen gemacht, Kurse belegt. In der Zeit habe ich eine ganze Menge gelernt – und dann habe ich mein Unternehmen gegründet.
Dafür musste ich ein Konzept schreiben. Einige meiner deutschen Freunde halfen mir dabei. Als Erstes überlegten wir, wie das Unternehmen heißen soll. Dafür habe ich ins Berliner Branchenbuch geschaut – und einen Schock bekommen, als ich sah, dass es bereits über 900 Reinigungsfirmen gab. Mir war klar, dass ich, um mich abzuheben, alles anders machen musste als die anderen Firmen. Zum Beispiel einen ungewöhnlichen Namen finden. Bei dem Namen „Forever Clean“ müssen viele Leute lachen. Auch das Logo sollte ungewöhnlich für eine Reinigungsfirma sein.
Aber das reichte nicht. Ich musste noch weitere Dinge anders machen. So kam es, dass ich fast nur deutsche Mitarbeiter einstellte. Zudem war mir klar, dass ich für die Kunden immer erreichbar sein muss. Mit immer meine ich wirklich immer, Tag und Nacht.
Es war schon eine anstrengende Zeit. Es waren schwierige und harte Jahre. Aber ich habe mich verwirklicht. Jeden Cent, den ich verdiente, habe ich ins Unternehmen investiert. Heute wundere ich mich, dass ich damals so euphorisch war. Und ich bin stolz darauf, was ich geschafft habe. Ende 2009 bin ich mit meinem Unternehmen in die Türkei expandiert. Hier zählen zu unseren Kunden die EU-Delegation, Botschaften und Konsulate von Deutschland, der Schweiz, Österreich, Belgien und Irland.

Was bereitet Ihnen am Unternehmertum Freude? 
Dass ich Menschen eine Arbeit geben kann. Unter anderem beschäftige ich 31 Schwerbehinderte. Ich war selber arbeitslos, ich weiß also, was das heißt. Und aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen und dann noch 100 Arbeitsplätze zu schaffen, das ist natürlich besonders toll. Außerdem genieße ich die Freiheiten, die ich als Unternehmerin habe. Alleine, welche Möglichkeiten ich heute habe, obwohl ich keine Ausbildung machen konnte: Ich kann es mir leisten, morgens um 9:00 Uhr im Café zu sitzen und danach ins Büro kommen. Oder einfach mein Telefon einpacken und nach Istanbul fliegen. Mit welchen Menschen man in Kontakt kommt, wo man überall eingeladen wird. In Ostanatolien – was ich übrigens wirklich liebe – habe ich Ziegen gehütet. Und heute esse ich gemeinsam mit Angela Merkel zu Mittag. Oder ich bin mit dem türkischen Ministerpräsidenten in der Welt unterwegs. Das sind Dinge, die kann man nicht bezahlen. Das Schönste daran ist, dass ich mir das alles selber zu verdanken habe, dass das mein eigener Verdienst ist. Ich habe mich einfach sehr gut vorbereitet, als ich 2000 mein Unternehmen gründete.

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